Leseproben - Liz McIntosh


Nächste Station: Leben!

Macy trat heftig auf die Bremse. Mitten auf der Straße saß ein Pavian-Baby und starrte sie an. Sie hupte, aber ohne Ergebnis. Spontan fiel ihr der Begriff ein, den Luise, eine Urlaubsbekanntschaft aus Deutschland, gebraucht hatte. ›Klimakleber‹, so wurden wohl in Deutschland die vorwiegend jungen Menschen genannt, die sich auf dem Asphalt der Straßen festklebten, um den Verkehr im Namen des Klimaschutzes lahmzulegen. Allerdings war dem Pavian-Baby sicher keine politische Absicht zu unterstellen und festgeklebt hatte es sich auch nicht. Es saß einfach still da und starrte sie an. Macy wusste, dass es sehr riskant war, jetzt das Auto zu verlassen, deshalb hupte sie noch einmal. Lange, im Stakkato. Keine Reaktion. Aber plötzlich kam hinter einem großen Busch gelb blühender Protheapflanzen ein großes Pavian-Weibchen auf die Straße gesprungen, packte das Baby am Schwanz und zog es hinter sich her von der Straße.
Auch eine Erziehungsmethode. Nicht besonders zart, aber durchaus wirksam‹, dachte Macy, während sie erleichtert den Wagen wieder startete und weiter auf ihr Ziel zufuhr.




Siobhan

Sie drehte sich um und sah dem Rufer entgegen. Völlig außer Atem kam er, die letzten Meter über den Rasen schlitternd, vor ihr zum Stehen. Ein junger Mann grinste sie breit an. Allerdings sah er doch um einiges älter aus, als dass sie ihn für einen Studenten gehalten hätte. Unmittelbar blieb ihr Blick an seinen Haaren hängen. Wirre Locken. Karottenrot, wie Grainne sagen würde. Erst dann wanderte ihr Blick zu seinem Gesicht und erwiderte seinen, der sie aus grünen – froschgrün gemäß Grainnes Definition - Augen traf. Zusammen mit seiner hellen Haut war er der Inbegriff eines Iren. Siobhan spürte einen Schauer über ihren Rücken laufen. Unwillkürlich wischte sie sich mit der Hand über das Gesicht, als müsse sie einen Schleier wegschieben.
»Haben Sie nach mir gerufen?« Sie sah ihr Gegenüber fragend an.
»Ja, Miss Ui Néill, das war ich. Ich muss um Entschuldigung bitten, dass ich so aufdringlich bin. Aber zum Glück habe ich Sie endlich gefunden.«
Siobhans Erstaunen wurde nicht kleiner. »Warum haben Sie mich gesucht? Sind wir uns schon einmal begegnet?« Fieberhaft suchte sie in ihrer Erinnerung nach diesem Gesicht, vergeblich. Lediglich eine junge Frau tauchte verschwommen vor ihrem inneren Auge auf, die ihr in Oxford mehrfach auf dem Universitätsgelände begegnet war. Aber noch bevor sie einen Zusammenhang zwischen dem Männergesicht und ihrer Erinnerung herstellen konnte, stellte sich ihr Verfolger vor.
»Mein Name ist Padraigh McLír. Es tut mir leid, dass ich hier niemanden bitten konnte, uns miteinander bekannt zu machen.«

 

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